photoinfos.com

Mini Spektive

Kleine Spektive mit ca. 50mm Öffnung

2020 © Thomas Gade

Üblicherweise werden Spektive dann eingesetzt, wenn die kompakten, in der Hand gehaltenen, binokularen Ferngläser nicht mehr ausreichen. Für Wanderungen an sonnigen Tagen sind die kleinen 8x21 Ferngläser beliebt, mehr Leistung bieten hochwertige 8x32 oder 8x42 (auch 10x) Ferngläser und 7x50 bietet auch der Dämmerung noch eine hohe Lichtstärke.

Hochwertige Spektive der Naturbeobachter haben meistens Öffnungen zwischen 70 bis 90 mm. Mit ihnen wird nahezu ausschließlich einäugig beobachtet,  also monokular. Sie bieten Vergrößerungen zwischen etwa 20 bis 60x und haben größere Öffnungen. Um sie zu benutzen, ist ein Stativ oder wenigstens eine Auflage nötig. Sonst würde das Bild gnadenlos verwackeln.

Mini-Spektiv


Größenvergleich: Kowa Prominar TSN-883 (88/500 mm Objektiv) neben dem Noblex NS 8-24x50 ED (50/166 mm Objektiv)

Wenn Spektive durch Fortpflanzung entstünden, sähen die Neugeborenen oder Frischgeschlüpften wohl so aus wie das winzige Noblex NS 8-24x / 50mm ED. Es ist eine Miniaturausgabe der großen Spektive mit 80 oder 90 mm durchmessenden Objektiven. Aber sowohl die Bauform, die Fokussierung, der Stativanschluss und das Zoomokular hinter dem 50 mm ED Objektiv sind bereits vorhanden.

Einige Mini-Spektive

Celestron Kolibri 7-22x50mm ED 220 €
Celestron Hummingbird 7-22x50mm ED 350 €
Dörr Danubia 12-30x50 50 €
Kowa Prominar TSN 501 (schräg) 270 €
Kowa Prominar TSN 553 (schräg) 1650 €
Nikon Fieldscope 50 ED, 13-30x Zoom 750 €
Noblex NS 8-24x50 ED 260 €
Minox MD 50 W 16-30x50 400 €

Svbony

SV410 8-24x50 120 €
Svbony SV410 9-27x56mm ED 170 €
Vortex Razor HD 11-33x50 780 €

Die Tabelle ist keinesfalls vollständig, sondern ist nur ein repräsentatíver Querschnitt der Angebots im August 2020. Nikon und Kowa bieten Varianten mit schrägem oder geradem Einblick an. Das Nikon Fieldscope 50 ED wird für ca. 450 € ohne Okular verkauft. Der in der Tabelle angegebene Preis beinhaltet das 13-30x Zoomokular. Die Preise wurden im Internet ermittelt.


Wer baut Mini-Spektive?

Die Herkunft optischer Geräte ist oft nicht nachvollziehbar. Die Marke steht bei vielen Teleskopen, Ferngläsern und Spektiven nicht mehr für den Hersteller.

Heutzutage werden viele optische Instrumente in China produziert, die äußerlich und hinsichtlich ihrer Beschriftung den Wünschen von Großhändlern angepasst werden, aber im wesentlichen baugleich sind.

Bei den aktuellen ultrakompakten Spektiven sind zwei Typen relativ häufig vertreten, nämlich dass eine mit der Angabe 8-24x50 ED und ein weiteres mit 9-27x56 ED.

Solche Spektive gibt es u.a. mit den Marken Celesteron, Svbony, Lucid und Hawke. Noblex bietet nur das 8-24x50 ED an.

Die Bauähnlichkeit ist nicht zu übersehen. Sie alle haben einen 45° Einblick, die gleichen technischen Daten und ähnlich aussehenden Scharfstellring. Celestron fällt insofern aus dem Rahmen, als die Zoomokulare über eine 1,25“ Steckverbindung mit dem Spektiv verbunden sind, sodass sie leicht gegen astronomische Okulare mit dem selben Steckmaß ausgetauscht werden können. Das ist komfortabel, wenn man Festbrennweiten vorzieht und möglicherweise bereits diverse kompatible Okulare aus einer astronomischen Ausrüstung hat.

Üblicherweise haben gute Spektive Öffnungen von rund 80 mm, um die nötige Lichtstärke für hohe Vergrößerungen zu bringen, aber die Miniatur-Spektive scheinen eine echte Marktlücke zu schließen.

Sie sind klein, leicht und somit bequem mitzunehmen. Darüber hinaus stimmt ihre Abbildungsqualität. Eine Abgrenzung zu den großen Spektiven ergibt sich aus dem Vergrößerungsbereich. Während er bei den Mini-Spektiven bei 24x oder 27x endet, bieten die großen Spektive Zoombereiche von ca. 20-60x. Allerdings lässt die Abbildungsqualität über 40x spürbar nach. In der Praxis können die Mini-Spektive vielfach durchaus hohe Ansprüche bis etwa 20x mit dem mitgelieferten Zoomokular erfüllen, wenngleich ein hochwertiges ausgewachsenes Spektiv die Qualität toppt.

Der große Vorteil der Mini-Spektive besteht allerdings darin, dass sie erheblich kleiner sind als die üblichen Spektive mit Öffnungen zwischen 70-100 mm. Die kleinen passen in Manteltaschen oder sind neben der Kamera noch in einer Fototasche unterzubringen. Diese Handlichkeit trägt erheblich dazu bei, dass sie häufiger genutzt werden als größere Instrumente.

Preislich liegen die Winzlinge über den größeren Billig-Spektiven mit einfachen achromatischen Objektiven und minderwertiger Bauweise, jedoch deutlich unter den größeren Spektiven mit den besseren ED Objektiven.

Fernglas in der Hand oder Spektiv auf einem Stativ

In manchen Anwendungsbereichen ist die Art und Weise, wie Spektive gewöhnlich benutzt werden, dem normalen Fernglasgebrauch vorzuziehen. Ein Spektiv auf einem Stativ erleichtert es, anderen Dinge zu zeigen, die sie gar nicht finden, wenn man ihnen ein Fernglas überreicht und anschließend durch Zeigen mit der Hand vermitteln möchte, worauf sie es richten sollen. Oft ist das eine vergebliche Mühe. Versuchen Sie mal einem Laien mit einem Fernglas in der Hand zu erklären, wie er damit den Andromedanebel am Nachthimmel findet oder eine Eule in der Nische einer Felswand. Wenn mehrere Beobachter abwechselnd ein Instrument nutzen oder auch immer wieder dasselbe Objekt betrachtet wird, ist das Spektiv auf einem Stativ eindeutig im Vorteil.

Mit dem nötigen Zubehör sind auch viele Ferngläser auf Stative zu montieren. Doch meistens hat man solche Anschlüsse nicht dabei oder die Bauweise des Fernglases steht der Anbringung entgegen. Darüber hinaus ist der gerade Einblick beim Fernglas auf dem Stativ nur angenehm, wenn die Höhe für jeden Benutzer so eingestellt werden kann, dass man leicht hineinblicken kann. Blickt man vom Tal zu Berge oder zum Storch auf einem höher gelegenen Horst oder zum Nachthimmel empor, benötigen erwachsene Menschen schon recht hohe Stative, die wiederum nicht zum Wunsch einer hohen Mobilität passen.
Ein Spektiv mit schrägem Einblick stellt dann geringere Anforderungen an das Stativ und schont den Nacken.

Sportschützen, die ihre Ergebnisse auf der Zielscheibe sehen möchten, ist mehr mit einem fest darauf eingestellten Spektiv auf einem Stativ gedient, als mit einem Fernglas, mit dem sie immer wieder erst anvisiert werden muss.


Miniaturspektive passen mit der Kamera in die Fototasche.


Wenn leicht und klein wichtig sind

Das Mini-Spektiv ist ein Angebot für Nutzer, denen leichtes und kleines Gepäck wichtig ist. Hierbei ist nicht nur die Größe und das Gewicht des Spektivs zu berücksichtigen, sondern auch des Stativs. Es kann erheblich kompakter und leichter sein als für größere Instrumente.

Mein altbewährtes 10 × 50 Fernglas wiegt 952 g, während das kleine monokulare Noblex NS 8-24x50 ED nur 505 g auf die Waage bringt. Das edle Spektiv KOWA Prominar TSN-883 wiegt mit dem Zoomokular 11WZ knapp 2 kg. Mit nur einem halben kg Gewicht ist das kleine und stativtaugliche Spektiv von Noblex attraktiv für unterwegs.

Mini-Spektive scheinen attraktiv zu sein. Es gibt ähnliche Modelle von Celestron, Minox, Kowa, Nikon, Dörr und anderen. Celestron und Noblex bevorzugen niedrige Vergrößerungsbereiche, während die Konkurrenz am unteren Ende zwischen 15-20x beginnt und der Zoom bis etwa 40x reicht. In nahezu alle Rezensionen liest man, dass die Abbildungsqualität mit zunehmender Vergrößerung durch Zoomen auf dem letzten Drittel deutlich nachlässt, egal welcher Vergrößerungsbereich überhaupt angeboten wird.

Bei Vergrößerungen bis etwa 12x kann man noch einigermaßen gut mit dem Spektiv in der freien Hand beobachten oder man stützt sie irgendwo auf und kann dann eventuell noch etwas höher gehen. Beginnt die Vergrößerung aber erst bei 15x, sollte ein Stativ verwendet werden. Das Noblex Mini-Spektiv ist mit 8x Anfangsvergrößerung auch aus der Hand zu nutzen.

Die Vergrößerung abhängig von der Brennweite des Objektivs und der Brennweite des Zoomokluars. Einige Mini-Spektive bieten die Möglichkeit, Okulare auszutauschen.

Optische Qualität

Es gibt auch in dieser Klasse einfach gebaute Spektive neben hochwertigen Modellen. Billigware wird nur selten Freude aufkommen lassen. Ihre Optik und Mechanik kann nicht mit hochwertigen Konkurrenten mithalten.

Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist das Objektiv. Der herkömmliche Achromat aus Flint- und Kronglas erzeugt stärkere Farbsäume als Objektive mit einer ED-Linse. Die Extra Low Dispersion Glaslinse (ED Glas) minimiert Farbsäume und ermöglicht deshalb schärfere, kontrastreiche Abbildungen sowie auch kurze Bauweisen durch Öffnungsverhältnisse, die mit Achromate nicht mehr sinnvoll waren.

Bis etwa 20x Vergrößerung bieten kurzgebaute Spektive mit 50 mm ED-Objektiv eine erstaunlich hohe Bildqualität. Man kann auch mehr einstellen, allerdings wird das Einblickverhalten dann schwieriger und die Lichtverhältnisse sollten mitspielen.
Dazwischen liegen neuerdings die bauähnlichen 8-24x50 ED und 9-27x56 ED Spektive. Sie werden in verschiedenen Rezensionen positiv beschrieben. Die Winzlinge bieten mehr, als ihre Formate vermuten lassen.

Ein Nachlassen der Bildqualität ist bei den höchsten Vergrößerungen auch bei hochwertigen großen Spektiven normal, die mit ca. 80 mm durchmessenden Objektiven bis etwa 40x noch knackige Bilder liefern sollten. Wenn aber etwas über 20x ausreichen, sind die kleinen Spektive durch ihre geringen Maße und Gewichte oft die bessere Wahl, weil sie unterwegs kaum als Belastung empfunden werden.

Digiscoping

Beim Digiscoping wird ein Spektiv als Televorsatz für Kameras verwendet. Viele Smartphones sind sehr gut dafür geeignet. Dessen Kameraobjektiv muss (so wie das menschliche Auge) in das Okular blicken, um das Bild anzuzeigen oder aufzunehmen. Und genau so, wie das menschliche Auge den richtigen Abstand und die richtige Position zum Okulare finden muss, um mit bester Bildqualität sehen zu können, muss auch die Kamera des Smartphones richtig positioniert werden. Das ist nicht einfach und viele preiswerte Smartphone Adapter sind in der Praxis fummelige und nicht gerade erfreuliche Konstrukte, weshalb ich stattdessen meistens den Bau eines eigenen, genau passenden Adapters empfehle.


Noblex NS 8-24x50 ED Mini-Spektiv als Tele-Vorsatz für Smartphones neben einem 10x50 Feldstecher

Diesbezüglich wäre es hilfreich, wenn Spektiv-Hersteller ihre Okulare endlich mit T-2 Anschlüssen ausstatten, die sich unter den abnehmbaren Augenmuschel befinden können, um ein bereits bestehendes und preiswertes Adaptersystem als Basis für den Selbstbau zu verwenden.

Die herausziehbaren Halter der Augenmuscheln sollten dann auch so stabil konstruiert sein, dass sie zum Einstellen des besten Abstands zwischen dem Smartphoneobjektiv und dem Okular genutzt werden können.

Inzwischen besteht die Hauptkamera vieler Smartphones aus mehreren eng beieinanderliegenden Objektiven und Sensoren, die gemeinsam zum Einzelfoto beitragen. Ob solche Smartphones zum Digisoping geeignet sind, wenn nur ein Objektiv in das Okular blicken kann, während die anderen Objektive abgedeckt sind, muss man ausprobieren.

Die Bildqualität beim Digiscoping hängt stark davon ab, wie gut die Optik des Smartphones mit der Optik des Spektivs harmoniert. Darüber hinaus ist die exakte Positionierung des Smartphones für einen bestmöglichen Einblick in das Okular von großer Bedeutung. Verkippungen der Optiken zueinander und falsche Abstände sind schädlich. Die korrekte Adaptierung ist deshalb sehr wichtig. Falls eine gute Adaptierung des eigenen Smartphones an ein Mini-Spektiv mit ED-Optik gelingt, sind beeindruckende Teleaufnahmen möglich.

Verbesserungsvorschläge

Mini-Spektive der Marken-Anbieter sind nicht nur klein und leicht, sondern auch relativ preiswert. Wenn Nikon und Kowa komplette Mini-Spektive zu Preisen anbieten, für die gerade mal ein Standard Zoomobjektiv für größere, hochwertige Spektive erhältlich ist, muss man bei den Zwergen mit Abstrichen rechnen. Der beträchtliche Aufwand für präzise, leichtgängige Scharfstellmechanismen und Umkehrprismen der edlen Markenspektive kann für die relativ niedrigen Preise der Minispektive nicht erwarten.

Wo welcher Anbieter Abstriche vorgenommen hat, kann nur ein Vergleich offenbaren. Das kann mit einer spartanischen Bedienungsanleitung losgehen und sich über lückenhafte technische Daten fortsetzen bis hin zu baulichen Details. Bei dem einen Mini-Spektiv mag trotz des Niedrigpreises noch eine rotierbare Schelle enthalten sein, während das andere lediglich einen festen Stativanschluss anbietet.

Auf jeden Fall sollten die Anbieter ein T2 Gewinde am Okular anbieten, um eine Adaptierung von Kameras zum Digiscoping zu vereinfachen.

Fazit

Winzige Spektive mit ordentlicher Leistung sind attraktiv. Die fernöstliche Massenproduktion von preiswerten ED-Gläsern ermöglicht den Bau sehr kompakter Spektive, die mit herkömmlichen achromatischen Objektiven nur durch starke Farbsäume und weniger Schärfe realisierbar wären.

Gelingt die korrekte Adaptierung eines kompatiblen Smartphones an das Mini-Spektiv, erhält man eine telestarke Kombination mit effektiv höherer Brennweite als normale Digitalkameras. Geringes Gewicht, Kompaktheit und gute Leistung machen aus Mini-Spektiven ideale Ferngläser für Exkursionen oder auch Flugreisen.

© Thomas Gade   Unsere Texte und Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung ist nur mit schriftlicher Erlaubnis des Verfassers gestattet und stets honorarpflichtig. / © Our articles and images are copyrighted.