Balgengerät
Thomas Gade September 2013Index: | - Das Balgengerät |
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Warum spezielle Objektive?
Am Balgen werden Objektive mit eigenem Blendenring verwendet. Das schließt den Gebrauch vieler moderner Objektive aus. Zwar ist es dem Hersteller Novoflex das Kunstück gelungen, in Balgengeräte eine übertragung der elektrischen Signale zwischen einigen modernen Kameras und Objektiven zu realisieren, doch nur zu einem horrenden Preis und nicht unbedingt sinnvoll.Wenn kleine Dinge groß aufgenommen werden, ist es vorteilhaft, normale Objektive nicht in der sonst üblichen Ausrichtung zur Kamera am Balgen zu befestigen. Für beste optische Leistungen werden die Objektive in Retrostellung, also umgedreht, montiert. Dazu ist ein Umkehrring notwendig.
Warum ist das besser? Im Prinzip kann man eine einfache Sammellinse als Objektiv benutzen. Stattdessen bestehen unsere Objektive aus mehreren Linsen mit komplizierten, genau aufeinander abgestimmten Formen aus verschiedenen Glassorten.
Dies ist eine schematische Darstellung eines 28mm Weitwinkelobjektivs, das aus sieben Linsen besteht. Eine einzelne Sammellinse würde ein Bild projizieren, das auf der optischen Achse ein relativ helles Bild erzeugt, das von der Achse abweichend rasch in der Helligkeit nachlässt. Wir kennen den Effekt als Vignettierung. Die Bildecken sind sichtbar dunkler. Die Sammellinse stellt auf einer planen Fläche Linien gekrümmt dar. Diese Verzeichnung wird zum Bildrand hin ausgeprägter. Die Natur hat dieses Problem, wenn man es so nennen mag, durch kugelförmige Augen gelöst, in denen das Bild auf eine gewölbte Netzhaut projiziert wird. Filme und Sensoren, aber auch die Abzüge, sind nicht schalenförmig gekrümmt, sondern plan. Licht verhält sich beim Weg durch Objektive seltsam. Es wird gekrümmt und gebeugt. Eine Beugung (Ablenkung) findet durch die Lamellen der Blende statt. Dabei verhalten sich die verschiedenen Wellenlängen (Farben!) anderes. Es kommt zu farbigen Säumen, die eindeutig falsch wirken.
Rodenstock Rodagon Objektive an Novoflex Balgengeräten
Die komplizierte Konstruktion einer Optik, die auf einer ebenen Fläche eine optimale Projektion mit geringstmöglichen Fehlern erzeugt, ist immer ein Kompromiss, der durch Faktoren wie Erwartung an die Handhabung, Preis, Stand der Technik etc. beeinflusst wird. Unsere üblichen Objektive sind für beste Leistungen bei Blende 8 und Aufnahmedistanzen zwischen einem Meter bis Unendlich konstruiert worden. Damit gelingt auch noch die Nahaufnahme von einer Katze.
Aber irgendwann lässt die Leistung nach, weil diese Objektive für das Fotografieren von Gegenständen aufgenommen wurden, die in Realität größer sind als sie auf dem Sensor abgebildet werden. Beispielsweise wird ein Baum, der in Wahrheit 6 Meter hoch ist, auf dem Sensor 6 mm hoch projiziert. Aus 6000 mm wurden 6 mm, das entspricht einen Abildungsmaßstab von 1:1000. Eine Hibiskusblüte mit einem Durchmesser von 10 cm wird als Nahaufnahme mit einem Druchmesser von 10 mm auf den Sensor projiziert. Das entspricht einem Abbildungsmaßstab von 1:10. Unsere Superzooms von Tamron erlauben mit Brennweiten von (angeblich) 18-270mm eine kürzeste Aufnahmedistanz von 0,49 Metern. Bezogen auf 270mm wird hier ein Abbildungsmaßstab von weniger als 1:2 erreicht. Nicht, dass man von diesem Extremwert noch eine Höchstleistung erwarten darf; es wäre falsch.
Wenn es ganz nah rangeht und Gegenstände ungefähr in der gleichen Größe wie im Original oder größer aufgenommen werden, leisten normale Objektive mehr, wenn sie umgedreht werden. Der Unterschied ist nicht nur marginal sondern dramatisch. Mit einem umgedreht am Balgen befestigtem 28mm Weitwinkel, man nennt dies Retrostellung, kann man einer Fliege tief und scharf in die Facettenaugen schauen. Dazu ist ein Umkehrring nötig, der an das Filtergewinde des Objektivs geschraubt wird und mit der anderen Seite an den Balgen montiert wird. Umkehrringe sind billig und passende Objektive gibt es wie Sand am Meer auf den Gebrauchtmärkten. Längst abgehakte Modelle, angeblich nicht in die digitale ära gehörend, kommen hier bestens zum Einsatz.
50mm Objektiv in Retrostellung am Balgen
Damit wird klar, warum extrem teure Balgengeräte mit integrierten Leitungen zur Steuerung der Objektivfunktionen (Blende) durch die Kamera sinnlos sind. Die Optiken werden nicht in Retrostellung benutzt, sondern in der am Balgen falschen Ausrichtung.
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Andere Objektive,
die einst im Fotolabor verwendet wurden, sind
an Balgengeräten hervorragend verwendbar. Die besseren Modelle sind bestens für Abbildungsmaßstäbe zwischen 1:1 und 1:20 korrigiert, leicht und kompakt. Sie haben das M39 Anschlussgewinde. Optimal sind Brennweiten zwischen 50mm und 105mm. Zum Digitalisieren der 24x36mm Filme mit einem APS-Sensor (Halbformat) ist ein 80mm Objektiv sehr gut geeignet. Die Optiken gibt es zuhauf auf dem Gebrauchtmarkt. Objektive von Rodenstock mit der Bezeichnung Rodagon oder Apo Rodagon und von Schneider Kreuznach namens Componon und Componon-S sind ideal. Die Anaret-S aus Tschechien sind sehr gut und spottbillig. Viele weitere könnten hier genannt werden. Daher ist es vorteilhaft, Balgengeräte mit dem M42 Anschluss zu nehmen. Zum Anschluss der Kameras gibt es preisgünstige Adapter und für die Objektive mit M39 Gewinde ebenfalls. |
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