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Digiscoping - Praxis

2016 © Thomas Gade

Mit dem Spektiv fotografieren

1. Digiscoping / Digiskopie   6. Digitale Kompaktkamera Vergleich
2. Digiscoping Brennweite   7. Pentax Camera Adapter PF-CA35
3. Spektiv + Smartphone   8. Kowa TSN-PA7 Adapter
4. Spektiv + DSLR   9. Praxis
5. Digitale Kompaktkamera am Spektiv 10. Digiscoping versus Foto mit Teleskop

Praxis - Mit Spektiven fotografieren

Auf den vorherigen Seiten wird dargestellt, dass Digiscoping mit verschiedenen Kameras möglich ist. Sie müssen in die richtige Position hinter das Okular gebracht werden, damit der optische Aufbau stimmt. Das geht mit Smartphones relativ leicht, während die Optik vieler digitaler Kompaktkameras gar nicht mit Spektiven harmoniert und es schwierig ist, sie befriedigend zu adaptieren. Systemkameras werden mit eigenem Fotoobjektiv hinter das Okular montiert, um nicht nur in der Bildmitte eine gute Bildqualität zu erzielen. Bildqualität. Neben den technischen Aspekten gibt es einige weitere beachtenswerte Belange.

Flimmern der Luft beeinträchtigt Fernaufnahmen

Mit dem Spektiv beobachtet man oft Dinge, die zu weit entfernt sind, um scharfe Fotos zu machen. Vielleicht erspäht man einen Fuchs, der sich vom Feldrand kommend, vorsichtig einer Schar rastender Zugvögel nähert. Trotz des Flimmerns der Luft ist die Beobachtung der Handlung spannend, weil unser Auge trotzdem im erstaunlich hohen Maße in der Lage, feine Details zu erkennen, jedoch kann das einzelne Foto sie nicht wiedergeben. Beim Filmen gelingt das schon eher.  

Bei Fernaufnahmen haben Feuchtigkeit und schwebende Teilchen in der Luft immer einen qualitätsmindernden Einfluss, der mit zunehmender Entfernung zum Motiv größer wird. Deswegen kann man an schwülen warmen Tagen das Fotografieren mit starker Telewirkung über größere Distanzen vergessen. Die Details gehen in einer unruhigen Unschärfe unter. Es gilt, je größer die Distanz, desto schlechter das Bild. Allerdings tritt dieser Effekt sichtbar erst ab einer bestimmten Distanz ein. Es kann also sein, dass man im Nahbereich bis in 30 m Entfernung keine Bildbeeinträchtigungen wahrnimmt, aber ab 100 m Entfernung mit starkem Teleobjektiv nur noch Bilder entstehen, die unbefriedigend sind.

Kein scharfes Foto möglich. Das Flimmern der Luft beeinträchtigt Fernaufnahmen.

Man sollte aber auch wissen, dass Flimmern nicht konstant verläuft. Kann man ein Motiv mehrmals fotografieren, ist es durchaus möglich, dass einige akzeptable Aufnahmen gelingen.

In der Praxis muss man stets auf Neue ausloten, wie weit Motive entfernt sein dürfen, um sie noch scharf aufzunehmen. Das ist leicht, weil unsere Digitalkameras eine Qualitätskontrolle am Aufnahmeort ermöglichen. Man kann sehen, welchen Einfluss das Flimmern der Luft in einer konkreten Aufnahmesituation hat.

Alternative zum Teleobjektiv?

Beim Digiscoping werden üblicherweise Brennweiten ab 1000 erreicht. In den meisten Fotoausrüstungen gibt es keine Teleobjektive mit Brennweiten über 400 mm. Für hohe Ansprüche kann man teure Teleobjektive mit festen Brennweiten zwischen 500 mm bis 800 mm erwerben. Dazwischen liegen Zoomobjektive für rund 1000 €, die 500 - 600 mm erreichen. Das aktuelle 600 mm Teleobjektiv von Canon (Canon EF 600mm f/4L IS II USM) wiegt ca. vier Kilo, also mehr als doppelt so viel wie ein Kowa Prominar TSN 883, und kostet rund 11.000 €.

Daher ist die Digiskopie weniger eine Alternative zur hochwertigen Teleobjektiv, das man meistens gar nicht (dabei) hat, sondern eine Zusatzverwendung eines visuellen Beobachtungsinstrumentes. Die Digiskopie befreit oft vom Zwang des Mitschleppens einer schweren Fotoausrüstung, kann sie aber nicht im jeden Fall ersetzen.  

In punkto Bildqualität sind teure und schwere Fotoobjektive der Kombination aus hochwertigem Spektiv und Kamera überlegen, aber situationsbedingt und auch aus finanziellen Gründen im Feld nicht gleichzeitig verfügbar.

Zweck und Anspruch spielen bei der Bewertung von Digiscoping Bildern eine wichtige Rolle. In der Naturforschung reichen oft Fotos, die Bestimmungen und Beobachtungen einwandfrei und ansprechend dokumentieren, beispielsweise bei Zählungen von Nestern und die Anzahl der Eier in Brutgebieten. Hier kommt es nicht darauf an, dass sie knackscharf in feinste Details ufgelöst zu sehen sind, sondern man soll die Eier an sich gut in den Nestern sehen können. Solche Bilder finden Eingang in Vorträge, Forschungsberichte und Veröffentlichungen und erfüllen alle diesbezüglichen Ansprüche.


Blüte einer Rosenart. Kowa Prominar TSN 883 mit Samsung Galaxy S5. Tolle Qualität!

Stativ

Für die Nutzung eines Spektivs sind ein gutes Stativ mit geeignetem Stativkopf unerlässlich. Ein Spektiv mit geradem Einblick muss so hoch aufgestellt werden, dass man in bequemer Haltung in das Okular blicken kann. Dafür sind nur Stative mit relativ langen Beinen geeignet, denn ein weites Herausziehen einer Mittelsäule bewirkt Instabilität. Für Spektive mit schrägem Einblick können Stative kürzer sein, weil man sich beim Beobachten oder beim Digiscoping nach vorne beugt.


Kowa Prominar TSN 883 auf Sirui VH-10 Videokopf und Linhof Stativ. Gute Kombination, doch eine dunkle unauffällige Farbe des Stativs ohne reflektierende Teile wäre besser, um Tiere nicht scheu zu machen.

Es gibt Stative mit Beinen aus Holz, Aluminium und aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Am stabilsten und am wenigsten anfällig für Schwingungen ist Holz, aber auch relativ schwer. Carbonstative sind verhältnismäßig teuer. Aluminiumsstative bilden den besten Kompromiss aus Stabilität, Gewicht und Preis. Da man unterwegs in der Natur nicht unbedingt pfleglich mit dem Stativ umgehen kann, ist es empfehlenswert, Top-Stative aus zweiter Hand zu erwerben, beispielsweise von Linhof. Aber der Stativkopf sollte ein moderner 2-Wege Fluidkopf (Videokopf) sein, wie der Sirui VH-10, der im Schnellwechselsystem eine verschiebbare Schiene hat, auf der das Spektiv gut ausbalanciert werden kann.

Kugelköpfe oder andere Stativköpfe, bei denen das Spektiv nach dem Lösen einer Klemme rasch unten klappen und hart irgendwo anstoßen kann, sind ungeeignet.

Ein brauchbares Stativ mit Kopf zum Digiscoping wiegt knapp 3 kg. Man kann auch schwerere verwenden, aber das zusätzliche Gewicht muss man dann auch mitschleppen. Kann man mit einem Wagen zum Beobachtungsplatz fahren, ist das unerheblich, aber bereits das Tragen aller Dinge auf einer Strecke von nur mehreren 100 m sollte den Naturbeobachter nicht überfordern. Carbonstative können 1 kg leichter sein, aber nach unseren Erfahrungen ist die Absicht, Gewicht zu sparen, mit konstruktiven Schwächen verbunden und ein zu leichtes Stativ ist schwingungsanfälliger bei Wind.

Tipp: Im Bauhandel gibt es sehr gute Vermessungsstative für unter 100 €. Darauf kann man Videoköpfe montieren. Der Sirui VH-10 (180 € im Juni 2016) ist nach unseren Erfahrungen sehr gut zum Beobachten mit dem Spektiv und zum Digiscoping geeignet.

Erwärmung in der Sonne

Wie in der Naturbeobachtung gefordert, sind Spektive optisch unauffällig, um scheuen Tiere keine Fluchtsignale zu geben. Diese Forderung wird von der matten dunklen Oberfläche bestens erfüllt. Sie hat nur einen Nachteil, der bei nahezu allen Spektiven vorhanden ist, nämlich dass sie sich bei direkter Sonneneinstrahlung aufheizt, was die optische Leistung beeinträchtigen kann.


Pentax K-5 II mit SMC Pentax M 2,8/40mm an einem Zeiss Conquest Gavia 85 Spektiv

Dunkle matte Oberflächen sind kein Problem unter einem Tarnzelt oder an einem schattigen Plätzchen, doch entgegen vielen Werbefotos sollte man Spektive nicht längere Zeit der direkten Sonnenstrahlung aussetzen, weil sie sich sonst schnell aufwärmen. Weicht die Temperatur des Spektivkorpus sehr von der Umgebungstemperatur ab, ist eine optische Leistungsminderung vorprogrammiert. Im Extremfall flimmert es dann nicht nur in der Ferne, sondern zusätzlich durch termische Prozesse im Spektiv.

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